Arbeitsmarkt Update von der Front Q4/2024
Unsere Analyse des Arbeitsmarktes ist nicht repräsentativ für alle Berufsfelder. Doch wir haben Einblick in viele unterschiedliche Entscheidungsprozesse und wie sich Angebot und Nachfrage am Kandidatenmarkt entwickeln. Und das extrem praxisnah und ungefiltert. Daraus resultiert unsere Einschätzung zur aktuellen Lage am Arbeitsmarkt:
Verschiebung der Marktmacht
Aufgrund der konjunkturellen Schwächephase verschiebt sich derzeit die „Marktmacht“ in einigen Berufsfeldern in Richtung Arbeitgeber. Dies betrifft insb. wenig spezialisierte Berufsfelder im Blue Collar Segment, wie z.B.: Marketing Management, Flächenvertrieb, Industrie, Administration, Support etc.
Middle Management unter Druck
Insbesondere Kandidaten im Middle Management finden eine verringerte Auswahl an Jobangeboten vor. Das liegt insb. am Kostendruck im Personalbudget und an der anhaltenden Abflachung von Hierarchien bzw. der zunehmenden Selbstorganisation von Teams. „Reine“ Managementfunktionen sterben aus, Leadership-Skills werden breiter ausgerollt und Führung wird demokratischer.
Kompetitive Nischen
Das Gegenteil ist bei hochspezialisierten Nischen der Fall. In den Bereichen Future Tech, Product Development, moderne IT, Health Care, Legal, Finance & Controlling sowie Supply Chain & Procurement (in „Krisenzeiten“ sehr gefragt), aber auch dem Kernbereich beratungsorientierter Vertrieb werden händeringend erfahrene Kandidaten gesucht.
Hands-on-Berufe stark gefragt
Ob Handwerk, Bildung, Pflege oder Handel: In Berufsfeldern, die in der öffentlichen Wahrnehmung weniger attraktiv sind, herrscht nach wie vor ein enormer Mangel an motivierten Mitarbeitern. Dies bringt Unternehmen in schwierige Situationen: Budget für ein Gehaltspremium, Recruiting Aktivitäten und Employer Branding Maßnahmen muss im Griff behalten werden. Auf der anderen Seite leidet ohne qualifizierte Mitarbeiter das Kerngeschäft.
Neue und alte Power Skills
Kooperation, Gestaltungskraft, Lernflexibilität und „nicht disziplinarisches“ Führen rücken weiter in den Fokus. Gleichzeitig sind Selbstorganisation, Resilienz und die Anwendung moderner Tools Dauerbrenner.
Entscheider werden anspruchsvoller
Wir bemerken eine stärkere Zurückhaltung bei Einstellungen. Entscheider werden anspruchsvoller, weil der allgemeine Eindruck einer größeren Auswahl besteht (auch getrieben durch die mediale Berichterstattung über größere Layoffs).
Kritische Evaluierung
Wo der Leidensdruck sinkt, verlangsamen sich Prozesse, Evaluierungsschritte werden ausgeprägter. Zusätzliche Module werden eingebaut (Gesprächsrunden, Testings etc.).
Gehalt & Fringe Benefits
Die teilweise horrenden Gehaltsspiralen flachen tendenziell ab, Arbeitszeitmodelle und Remote-Regelungen werden restriktiver. Aus unserer Sicht ist das ein „Zurechtrücken“ von Entwicklungen, die in den letzten Jahren teilweise bereits absurde Auswüchse hatten. Den allgemeinen Trend hin zu New Work wird das aber mittel- bis langfristig nicht bremsen. Wir bemerken weiters eine Entwicklung hin zu neuen Formen der Zusammenarbeit (Freelance Contracts, Projektbasis). Im internationalen Vergleich liegt der Fokus dennoch auf klassischen Anstellungsmodellen.
Nur eine Delle?
Die Analyse der Faktoren, die mittelfristig auf den Arbeitsmarkt wirken, zeigt eindeutig, dass sich die Situation in den nächsten Jahren wieder ändern wird, wenn man folgende Parameter berücksichtig:
Konjunkturelle Erholung ab 2025 (wirkt zum Vorteil in Richtung Arbeitnehmer)
Pensionierungswellen der Baby-Boomer (wirken zum Vorteil in Richtung Arbeitnehmer)
Demographische Entwicklung (wirkt zum Vorteil in Richtung Arbeitnehmer)
Automatisierung von Prozessen (wirkt zum Vorteil in Richtung Arbeitgeber)
Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt (wirkt zum Vorteil in Richtung Arbeitgeber)
Zeit für Re-Qualifizierung
Einige Unternehmen erkennen die Zeichen der Zeit und nutzen die derzeitige „Verschnaufpause“, um interessierte und engagierte Persönlichkeiten mit den Schlüsselskills für morgen auszustatten. Zum Teil ist dies natürlich auch Verantwortung der öffentlichen Hand, allerdings kann jedes Unternehmen auch eigeninitiativ Schulungsprogramme für die zukünftige Workforce anbieten.
Quereinstieg
Es ist auch die Zeit für die Überlegung, Quereinsteiger mit interessanten und für Unternehmen nutzbaren Fähigkeiten an Bord zu holen. Menschen, die ihre angestammten Berufe verlieren, orientieren sich neu und sind bereit, ihre Assets in einer neuen Umgebung zu einem relativ moderaten Preis einzubringen. Dies bedeutet in vielen Fällen eine neue Lebensphase, für die man einerseits bereit sein muss, die andererseits aber auch große intrinsisch-motivationale Kräfte freisetzt.
Antizyklisches Investment
Jene Unternehmen, die derzeit in Mitarbeiter investieren (und sich das leisten können), profitieren nicht nur von deren mittelfristig gestärkter Loyalität, sondern sichern sich auch für den konjunkturellen Aufschwung eine bessere Ausgangsposition.
Es sind herausfordernde, aber auch spannende Zeiten. Die notwendige Konsolidierung und Neuausrichtung stellt jetzt allerdings auch die Weichen für die weitere Entwicklung – sowohl individuell, als auch für Unternehmen und unsere Gesellschaft.
Ich möchte jeden ermutigen, sich mit den grundlegenden Tendenzen des Arbeitsmarktes (regional, aber auch international) zu beschäftigen. Lest Analysen, analysiert Statistiken, schaut euch unterschiedliche Blickwinkel an. Das hilft bei der Planung der eigenen Steps und weitet den Blick auf absehbare Entwicklungen, die viele von uns betreffen werden!
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