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  • AutorenbildJulian Maly

Fight the Einheitsbrei

Aktualisiert: 27. Apr.

Die Erkenntnis dieses Posts musste ich unter Blut, Schweiß und Tränen über viele Jahre erlangen. Und ich hab‘ mich (als strukturliebender Mensch) lange gegen die Konsequenz gewehrt.


Die Ausgangssituation: Customizing ist nicht erst seit gestern ein Megatrend. Wir individualisieren in allen Lebenslagen was das Zeug hält. Nur im Recruiting-Prozess suchen wir immer auf’s Neue den Heiligen Gral des perfekt orchestrierten Standardprozesses.


Woran liegt das? Vielleicht hängen wir der Illusion nach, dass eng vorgegebene Prozesse besser vergleichbare, objektivierte Ergebnisse liefern (was wissenschaftlich widerlegt ist, denn eine vordefinierte Prozessstruktur ist ein Bias an sich und bevorteilt Personen, die mit dieser spezifischen Struktur besser umgehen können). Vielleicht übernimmt in unserem Personaler-Unterbewusstsein auch noch immer der „Ich Chef, Du Nix“-Strang das Kommando und wir möchten es uns so einfach wie möglich machen. Die, die einen Job wollen, sollen sich halt anpassen.


Doch wisst ihr was? Überraschung! So funktioniert das nicht mehr. Die folgenden drei Punkte sprechen eindeutig für eine radikale Individualisierung der Candidate Journey in den allermeisten Fällen:


  1. Kreativität, Lösungsorientierung, Mut zu Neuem – all das steht oft ganz oben auf dem Wunschzettel der Idealkandidaten. Solche Persönlichkeiten sind Großteils auf Kriegsfuß mit „1 Weg für alle“!

  2. In hochkompetitiven Märkten mit spezialisierten Anforderungen herrscht tatsächlich ein „war for candidates“. Standardprozesse befriedigen oft nur den Monk in uns, mit Standardvorgaben gewinnt man jedoch im besten Fall gefühlt eine Schlacht, aber sicher keinen Krieg (metaphorisch!).

  3. Standardprozesse widersprechen hochgradig den Bekenntnissen von Diversity in der Workforce, komplementären Skills und „Stärken stärken“.

Und ja, ich glaube, wir können das ohne Qualitätsverlust, ohne schlechtes Gewissen hinsichtlich des langfristigen Fit machen, um diese Potenziale für unsere Organisationen, Teams oder Auftraggeber zu heben.


Doch wie kann man starten? Man muss ja nicht gleich super sophisticated und ganz radikal starten, mit einigen einfachen Maßnahmen schafft man erstaunliche Quick Wins:


  • Macht den Trichter auf! Wie der CV oder das Profil eines Kandidaten zu euch kommen, kann euch doch letztlich egal sein. Unvollständige Infos könnt ihr auch noch im Nachhinein einholen. Im Backend müssen eure Prozesse natürlich passen, aber: „open the frontend!“ (Das bedeutet nicht, dass ich eine postalische Bewerbung bei einer Digitalposition nicht aussortieren darf…)

 

  • Schafft Module! Nicht jeder Kandidat muss 2 Termine vor Ort wahrnehmen. Der eine braucht noch ein Team-Kennenlernen, der andere nicht. Definiert Mindestanforderungen und dann: „go with the flow“ – wenn es passt, dann passt es.

 

  • Serve with a smile! Ärgert euch nicht über längere Überlegungszeiten oder vordergründig „sonderbare“ Rückfragen: Das sind Menschen und keine Roboter.

Ganz generell gilt: Form follows function. Definiert, was ihr für eine Entscheidung braucht. Das ist das Minimum. Alle anderen Prozessbausteine sind nice to have, wenn es der Kandidat braucht. Wenn nicht, weglassen. Modulartige Prozessdesigns helfen hierfür enorm!

Aber natürlich gibt es – wie überall in der komplexen Realität – Voraussetzungen und Einschränkungen, die es zu beachten gilt:


  • Individualisiert nur in dem Tempo und bis zu dem Ausmaß, wie ihr es gut organisieren könnt. Chaos oder unbeantwortete Nachrichten sind noch viel böser als Einheitsprozesse.

  • Am wichtigsten ist immer, dass ihr entscheidungsfähig bleibt. Wenn ihr das – nach allem guten Bemühen – nur mit einem Standardprozess könnt, dann go for it.

  • Hört immer auf Euer Bauchgefühl und drück es nicht zur Seite, nur weil ihr glaubt, dass Individualität über alles geht. Nur weil der Prozess offen ist, muss nicht jeder Input eines Kandidaten für euch ok sein!

  • Es gibt einige Situationen, in denen eng definierte Standardprozesse aus rechtlichen Gründen, Gesichtspunkten der Nachverfolgbarkeit, Dokumentation oder Transparenz bei großen Entscheidergremien notwendig sind. (Aber auch hier gibt es Spielraum, die Candidate Journey zu optimieren!)

 

Mir ist vollkommen bewusst, dass das ein absolutes Mini-Thema für viele hier ist. Aber ich kann nur jedem einen Versuch raten, der seine Talent Pipeline auf Vordermann bringen will! If you need help: Wir sind da ;-)



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